Extremadura 2010
Freitag, 11. Juni 2010
Unsere zweite Reise in die Extremadura führt uns in die gleiche Region wie im vergangenen Jahr, lediglich einen Monat früher. Unser Ziel ist der Nationalpark Monfragüe, ca. 40 km nördlich von Trujillo gelegen. Wir hoffen auf kühleres Wetter, um mehr unternehmen zu können, was im letzten Jahr aufgrund der Hitze nicht möglich war. Und wirklich, wir haben Glück; als wir ankommen, ist es bewölkt und recht kühl, ein leichter Wind weht. Wir fahren als erstes zum „Salto de gitano“, dem Geierfelsen, und finden ein bekanntes Bild wieder. Viele Gänsegeier fliegen um den Felsen, viele sitzen in den Nischen und auf Vorsprüngen und diesmal können wir sie viel schneller entdecken. Doch einige Exemplare lassen sich an unserer Anwesenheit gar nicht stören und segeln tatsächlich besonders tief über unsere Köpfe hinweg: Die Entfernung ist natürlich schlecht zu schätzen, doch dürften es nur wenige 10 Meter sein.
Eine wunderbare Begrüßung und wir genießen den Moment ausgiebig. Dann fahren wir weiter; einige hundert Meter Luftlinie entfernt befindet sich das „Castillo de Monfragüe“, eine alte, nun verlassene, Burg, die man über eine in Serpentinen bis fast nach oben verlaufende, schmale Asphaltstrasse erreichen kann. Wir lassen das Auto auf halber Strecke stehen und laufen den recht steil ansteigenden Weg hinauf. Nach einer Biegung liegt eine hohe Felswand vor uns und in derselben haben es sich einige Gänsegeierfamilien heimisch gemacht. Wir entdecken mehrere Nester, einige Altvögel halten Wache und dann erblicken wir auch einen Jungvogel, der gerade gefüttert wird. Da sie nicht allzu weit entfernt sind, können wir von unten alles sehr schön beobachten und auch hier zeigen die Vögel, dass sie sich nicht stören lassen.
Nach einer Weile erklimmen wir die letzten Meter bis zur Burg, von der man einen fantastischen Blick über die umliegende Landschaft hat. Besonders von dem einzigen Turm, der ohne Begrenzung bis ganz oben zu betreten ist, schaut man auf die Weiten der Extremadura, die zu dieser Jahreszeit noch recht grün ist; der Tajo schlängelt sich wasserreich durch die Landschaft und man kann kilometerweit über die Hügel spähen.
Der Turm der Burg ist so hoch, dass die zahlreichen Geier nun unter einem vorbeifliegen, zum „Salto de gitano“ hin oder einfach so durch die Landschaft. Es sind wunderbare Bilder, und da ein leichter Wind weht, sind auch ziemlich viele unterwegs. Fliegen sie nah genug an einem vorbei, kann man das Rauschen im Flug hören, denn sonst ist es angenehm still da oben. Wir genießen die Augenblicke, wollen nach einer Weile aber noch weiter, um zu sehen, ob die „Geierkolonie“ am „Portilla de Tiétar“ noch besteht. Und wirklich, als wir ankommen, erleben wir ein sehr ähnliches Bild wie im letzten Jahr; viele Felsnischen sind „belegt“ mit Nestern, viele Felsvorsprünge sind bedeckt mit sitzenden, ankommenden und wegfliegenden Gänsegeiern und es herrscht ein reges Treiben.
Die Region der Extremadura liegt im Westen Spaniens und grenzt an Portugal. Die größten Städte der Provinz sind Badajoz mit ca. 150.000 Einwohnern, Cáceres und Mérida. In diesem Teil Spaniens gibt es wenig Tourismus und Industrie, die Landschaft ist eher karg und dünn besiedelt, was der Tier- und Pflanzenwelt die Möglichkeit bietet, sich recht ungestört zu entfalten. Der Norden ist von einigen Gebirgszügen durchzogen, der Boden ist dort fruchtbar und wasserreich; südlich des Flusses Tajo ist das Land trockener; man findet vor allem Steineichenhaine, in denen die spanischen, schwarzen Schweine gehalten werden, welche sich hauptsächlich von Eicheln ernähren. Der nach besonderen Regeln und Verordnungen herstellte spanische, getrocknete Schinken (Jamón Ibérico) erhält dadurch seinen besonderen Geschmack. Noch weiter im Süden finden sich ebenfalls viele Korkeichen, deren Rinde zu Korken für die Weinindustrie verarbeitet wird.
Die Beschreibung soll nicht vermitteln, dass die Landschaft unattraktiv ist. Sie ist durchaus abwechslungsreich, Hügel und teilweise schroffe Felsen wechseln mit mediterranen Wäldern, Mattorales, ein typisches, flaches Buschwerk, bedeckt weite Ebenen. Die Hauptwasserader ist der Fluss Tajo, seine Zuflüsse, wie zum Beispiel der Tiétar, versorgen die Landschaft mit Wasser. Dort mitten in der Extremadura wurde 1979 der Naturpark Monfragüe eingerichtet, der heute einen wunderbaren Lebensraum für Tiere und Pflanzen bietet. Viele Vogelarten, große Greife wie Adler oder Milane sind genauso anzutreffen wie viele kleinere Arten. Mit circa 250 Brutpaaren ist der Mönchsgeier vertreten, viele Gänsegeier wie auch Schmutzgeier haben sich dort angesiedelt. Einige vom Aussterben bedrohte Tierarten, wie den Schwarzstorch oder den Iberischen Luchs, kann man mit etwas Glück ebenfalls entdecken.